Kurzthese
Beschreibung
#metoo und sein Vorgänger #aufschrei haben die Diskussionen um Macht, Sexismus und Gleichberechtigung neu befeuert. Zwischen Offenbarungen der Opfer und Namenslisten prominenter Täter werden die Forderungen laut nach strengeren Strafen für sexuelle Übergriffe und verbindlichen Verhaltensregeln für den Umgang zwischen Mann und Frau. Doch Sexismus hat wenig mit eigentlichem Sex zu tun – vielmehr erwächst er aus Machtverhältnissen, anerzogenen Rollenbildern und liebgewonnenen Klischees. Und er zeigt sich überdeutlich in unserem allumfassenden Ausdrucksmittel – der Sprache als geschriebenes Wort oder als realitätsschaffende Handlung.
Während die Boulevardpresse reißerisch „Sex-Skandale“ aufdeckt, kritisieren die Feuilletons das „Schweigen“ der feministischen Männer. Während die einen unter scheinbarer Sprachlosigkeit leiden, hat sich eine #Ihave-Gegenseite formiert und kann sich nicht entscheiden zwischen ehrlicher Auseinandersetzung - „auch ich war ein Täter“ - und lautstarker Hetze: als „Hysterie“ oder „Hexenjagd“ klagt sie „weibliche Beschwerdekultur“ an und will von strukturellen Problemen nichts hören.
Was aber passiert, wenn wir geschriebene Worte hörbar machen? Mit unserer analytischen Lesung gehen wir der Frage nach, wie tief Sexismus in unser kollektives Bewusstsein buchstäblich eingeschrieben ist und welche Brücken sich aus der Weltliteratur zu heutigen Online-Debatten schlagen lassen. Wir zitieren Brecht und Buckowski, Foucault und Foster-Wallace und stellen ihnen Auszüge journalistischer Artikel und Leserkommentare von Usern namens JuJuMila, Drive_by_posting oder ShinyShadow an die Seite.
Medienkritisch fragen wir mit unserer Lesung, wie die Thematik in den sozialen Online-Medien verhandelt wird und wie dies mit unserer Diskussionskultur in der offline-Welt in Wechselwirkung tritt. Denn wie wir miteinander über Sexismus reden und schreiben, zeigt uns, wie wir ihn begreifen. Und vielleicht kann eine neue Sprache ein neues Denken fördern.